Neustadt

Neustadt O.S. (Prudnik)

Geschichte

Die Stadt „Prudnik in vulgari seu Nova civitas“ (1337) wird zu Beginn des 14. Jahrhunderts mehrfach urkundlich erwähnt. Sie wurde aber vermutlich bereits um 1275 von dem böhmischen Geschlecht von Rosenberg in einer Schleife der Prudnik mit planmäßigem Gitterschema als Grenzfestung gegenüber dem schlesischen Herzogtum Oppeln und dem Breslauer Bistumsland errichtet. Damit war sie die nördlichste Festung des Königreichs Böhmen im mährisch-schlesischen Grenzgebiet. Nachdem sich die Oppelner Herzöge zu Beginn des 14. Jahrhunderts in die Lehensabhängigkeit der Könige von Böhmen begeben hatten, verlor Neustadt als Festung gegenüber Schlesien jedoch seine Funktion. Deshalb wurden die Stadt und ihr Weichbild von sieben Dörfern im Jahre 1337 durch den böhmischen König Johannes von Mähren abgetrennt und an Herzog Boleslaus von Oppeln auf Falkenberg für 2.000 Mark Silber verkauft. Zu dieser Zeit wurde die Stadt von der Burg Wogendrossel dominiert.

Das Schloss Wogendrossel um 1750 (nach F. B. Werner).

Nach dem Tod des letzten Oppelner Piastenherzogs, Johann dem Guten, fielen Stadt und Weichbild 1532 an das Haus Habsburg, die es mit dem Herzogtum Oppeln an verschiedene Pfandherren vergaben. Zu dieser Zeit setzte sich in Neustadt auch die Reformation durch. 1554 ging die Pfarrkirche in die Hände der Protestanten über. Neustadt wurde zu einem politischen und schulischen Zentrum für die Region. Am 11.1.1582 wurde hier z.B. der schlesische Historiker Nikolaus Henel von Hennenfeld geboren (+1656), am 20.4.1594 der Dichter Matthäus Appelles von Löwenstern (+1648). Auch wirtschaftlich entwickelte sich die Stadt aufgrund ihrer Lage an der Handelsstraße von Neisse nach Jägerndorf sehr gut. Traditionell bildeten neben der Landwirtschaft Weberei und Garnhandel die wirtschaftliche Grundlage. Im Jahre 1562 gelang es der Stadt sogar, die Pfandherrschaft selber zu erwerben, zunächst auf Zeit, ab 1597 dann für 60.000 Taler dauerhaft. Im Jahre 1570 kaufte der Magistrat auch die örtliche Vogtei. Damit unterstand Neustadt keinem Grundherren mehr, sondern besaß selber ein kleines Territorium mit mehreren Dörfern und Herrschaftsrechten.

 Ansicht von Neustadt um 1800 (nach Endler).



Zu Beginn der Gegenreformation 1629 wurde Neustadt mit seinem Weichbild aus der Olmützer Diözese ausgegliedert und Breslau angeschlossen. Als immediate königliche Stadt war Neustadt ein inkorporiertes Glied des Herzogtums Oppeln-Ratibor und teilte dessen politisches Schicksal, wie u.a. 1742 den Anschluss an Preußen. Unter preußischer Herrschaft wurden die Weichbilder Neustadt, Zülz und Oberglogau zu einem Großkreis zusammengeschlossen, der mit territorialen Veränderungen bis heute existiert. Im Jahre 1766 ließen sich die Barmherzigen Brüder in Neustadt nieder. Sie erbauten hier eine Kirche und ein Krankenhaus. 1796 erhielt die Stadt eine Garnison. Zu dieser Zeit wuchs durch staatliche Förderung die Tuch- und Webwarenproduktion in Neustadt. Zum beherrschenden Unternehmen wurde die 1855 von Samuel Fränkel (1801 – 1881) gegründete Fränkelsche Fabrik, der die Stadt u.a. vorbildliche Wohlfahrtseinrichtungen verdankt. 1876 erhielt die Stadt Bahnanschluss, 1883 wurde hier eine Zuckerfabrik gegründet. Um Platz für die Erweiterung der Stadt zu schaffen wurden im 19. Jahrhundert die alten Wälle und Stadtmauern geschleift. Im Jahre 1908 wurde die Stadt in Neustadt O.S. umbenannt.

Von der 1921 in Oberschlesien abgehaltenen Volksabstimmung war das Gebiet um Neustadt komplett ausgeschlossen, da es rein deutschsprachig war. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland wurde auch die örtliche Synagoge im Rahmen der Reichsprogromnacht 1938 zerstört. Auch die beiden letzten Firmeninhaber der Fränkelschen Fabrik aus der Familie Fränkel, Hans Pinkus und Ernst Fränkel, wurden im November 1938 gezwungen, Deutschland zu verlassen. Sie flüchteten mit ihren Familien nach England. Beim Kriegsende 1945 wurden große Teile der Stadt bei den Kämpfen um den „Neustädter Kessel“ zwischen Wehrmacht und Roter Armee zerstört. Die deutsche Bevölkerung wurde zunächst in einem Getto gesammelt und anschließend vertrieben. Die neu angesiedelten Bewohner waren z.T. ihrerseits Vertriebene aus Ostpolen. Die Fränkelsche Fabrik arbeitete noch bis 2010 unter dem Namen Frotex weiter.

Sehenswürdigkeiten

Ring und Rathaus

Der Ring von Neustadt ist heute ganz überwiegend von Nachkriegsbauten gesäumt. Sehenswert sind hier aber das Rathaus sowie die Nepomuksäule. (r.) Das Rathaus wurde an der Stelle des mittelalterlichen Vorgängergebäudes im Jahre 1782 im strengen friderizianischen Stil neu errichtet. Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude aufgestockt bzw. umgebaut. Der 1856 erhöhte Turm hat klassizistische Formen. Direkt neben dem Rathaus steht die Nepomuksäule von 1733, flankiert von zwei Engelsfiguren. Die Mariensäule in einer Ecke des Ringes stammt aus dem Jahre 1694. Sie steht auf einem quadratischen Sockel mit vier Figuren der Erzengel.

Mariensäule

Rathaus mit Nepomuksäule

Wogendrosselturm

 Der Turm der mittelalterlichen Burg stammt vermutlich noch aus dem 13. Jahrhundert. Der zylindrische Feldsteinbau ist ca. 23 m hoch. Der oktogonale Schluss wurde im 15. Jahrhundert aufgestockt. Im Jahr 2009 wurde der Turm durch die Gemeinde Neustadt gründlich renoviert. Seitdem dient er als Aussichtsturm.

Niedertorturm

Von den historischen Stadtbefestigungen hat sich v.a. der Niedertorturm aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Der Turm hat eine Zinnenbekrönung und ein gemauertes Kegeldach. Der Fußgängerdurchbruch stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert.


Pfarrkirche St. Michael

Die Pfarrkirche von Neustadt wurde im Jahre 1321 erstmalig als Marienkirche erwähnt. Von 1554 bis 1627 war sie evangelisch. Nach Zerstörung durch einen Brand 1627 wurde sie wiederhergestellt. Der jetzige Barockbau wurde zwischen 1730 und 1738 vollendet, der Westturm 1803 angebaut. Die Kirche ist von innen mit vielen Wandmalereien geschmückt. Die Ausstattung ist spätbarock, z.B. der Hauptaltar von 1738/40 mit einem Gemälde der Himmelfahrt Mariens.

Hauptaltar von 1738/40.



Ansicht mit Ring im Hintergrund.


Kirche und Kloster
der Barmherzigen Brüder


Die seit 1766 in Neustadt ansässigen Barmherzigen Brüder errichteten nördlich der Altstadt ein Krankenhaus und eine Kirche (1783/84). Der Orden wurde 1810 von der Säkularisation ausgenommen und konnte seine karitative Tätigkeit mit Unterbrechungen bis heute in der Stadt fortführen. Die Klosterkirche St. Petrus und Paulus enthält einen klassizistischen Hauptaltar mit Gemälden der heiligen Peter und Paul sowie eine Kanzel mit Relief aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das anschließende Konventsgebäude stammt aus dem Jahr 1896.

Schmuck über dem Haupteingang.



Kirche und Kloster.


Villa der Familie Fränkel

Die Villa der Familie Fränkel stammt aus dem 19. Jahrhunderts. Sie wurde von Hermann Fränkel, dem Sohn des Firmengründers Samuel Fränkel, für seine Familie errichtet. Das seit 2011 komplett renovierte Gebäude dient heute als Kulturzentrum von Neustadt. Es besticht durch seine faszinierende Innenarchitektur im jüdisch inspirierten Jugendstil. Besonders schön ist das Treppenhaus mit einem Bild der Auffindung des Moses.

Ansicht mit Haupteingang.

Treppenhaus.


Bild von der Auffindung des Moses.


Stadtpark

Nahe der Innenstadt liegt der mit zahlreichen alten Bäumen bestandene Stadtpark. Hier befindet sich ein Konzertpavillon von 1887 und die rekonstruierte Statue der Göttin Diana.

Konzertpavillon

Diana-Statue

Fränkelsche Fabrik (heute Frotex)

Die Fränkelsche Fabrik in Neustadt geht auf eine Leinenweberei des aus Zülz stammenden Juden Samuel Fränkel zurück. Das Unternehmen wuchs durch Aufkauf von Konkurrenten rasch zum Monopolisten in Schlesien und wurde zu einem der größten Leinen-Produzenten der Welt. Maßgeblich verantwortlich für die schnelle Entwicklung der Firma zu einem internationalen Weltunternehmen war Max Pinkus (1857-1934), der Schwiegersohn des Gründers Samuel Fränkel. Die 1938 "arisierte" Firma wurde unter dem Namen "Schlesische Feinweberei" bis 1945 fortgeführt. In polnischer Zeit wurde sie in „Frotex“ umbenannt. Seit 2010 ist der Betrieb eingestellt. Die Firmengebäude verfallen zunehmend.

Alte Tore, ...

Durchgänge...



... und Fassenden.

"Prudnik: w blasku słońca / Neustadt bei Sonnenschein"
(Video: Cittaslow)

Museen

Museum des Neustädter Landes
(Muzeum Ziemi Prudnickiej)


Das Museum des Neustädter Landes befindet sich in einem der wenigen erhaltenen Teile der mittelalterlichen Stadtbefestigung, der sog. Wasserkunst, aus dem 15. Jahrhundert. Bis ins 19. Jahrhundert diente das Gebäude als Wasserturm, 1925 wurde es zur Jugendherberge umgebaut. Das heute hier ansässige Museum zeigt eine interessante Ausstellung zur Stadtgeschichte mit den Schwerpunkten sakrale Kunst (u.) und Geschichte der lokalen Weberei.


Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 8:00 bis 16:00 Uhr
Jeden zweiten und vierten Samstag im Monat 10:00 bis 16:00 Uhr

Weitere Informationen zum Museum des Neustädter Landes finden Sie in deutscher Sprache hier:

Muzeum Ziemi Prudnickiej

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Neustädter Wasserkunst mit Museum.

Die Innenräume des Museums...


... und seine Sammlungen.


In der Umgebung

Josephskloster


Klostergebäude mit Kirche.





Südlich von Neustadt auf einer Anhöhe liegt das Josefskloster, eine kleine Klosteranlage der Franziskaner von 1852. Hier wurde von 1954 bis 1955 das Oberhaupt der polnischen katholischen Kirche, Kardinal Stefan Wyszyński, inhaftiert, woran heute ein Denkmal erinnert.


Gedenkstein für Kardinal Wyszyński.

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Anreise


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