Neuzeit

Neuzeit (1740 – 1945)

Aufgrund vermeintlicher Rechtsansprüche aus der Vergangenheit marschierte der preußische König Friedrich II. 1740 in Schlesien ein und eroberte den Großteil des Landes. Der Erste Schlesische Krieg endete 1742 mit der Teilung des Landes. Preußen erhielt Niederschlesien und die Grafschaft Glatz, den nördlichen Teil des Neisser Bistumslandes, den Norden des Herzogtums Troppau-Jägerndorf mit Leobschütz und Hultschin sowie die Herzogtümer Oppeln und Ratibor. Der Habsburgerin Maria Theresia verblieb hingegen nur der Süden des Neisser Landes, der Großteil von Troppau und das Herzogtum Teschen. „Den Garten hat er mir genommen, den Zaun hat er mir gelassen“, soll Maria Theresia damals gesagt haben.

Beide Monarchen führten noch zweimal um Schlesien Krieg, 1744 bis 1745 und 1756 bis 1763. Erst nach dem Siebenjährigen Krieg konnte Preußen sich seiner Besitzungen in Schlesien sicher sein. In den folgenden Jahrzehnten wurde der preußische Teil des Landes verwaltungstechnisch neu gegliedert. 1813 wurde der Regierungsbezirk Oppeln gegründet, dem 1816 der Nordteil des Neisser Landes und 1820 der Kreis Kreuzburg angeschlossen wurden. Dadurch entstand das preußisch-deutsche Oberschlesien. Die südlichen Teile des Landes wurden später „Österreichisch-Schlesien“ genannt.

Oberschlesien 1742 - 1918

Königshütte im 19. Jahrhundert.

Das agrarisch geprägte Oberschlesien veränderte sich in preußischer Zeit v.a. durch die Stein-Hardenbergschen Reformen und durch die Industrialisierung. Die Reformen des Freiherrn vom Stein brachten der oberschlesischen Landbevölkerung endlich persönliche Freiheit, wenn auch noch nicht die Abschaffung der Fronlasten. Hinzu kamen die Gewerbefreiheit und die Judenemanzipation. Die Bauernbefreiung konnte in Oberschlesien weitestgehend bis 1848 abgeschlossen werden. Dadurch standen auch für die neu entstandene Industrie der Region genug Arbeitskräfte zur Verfügung. Die oberschlesische Montanindustrie geht traditionell auf den Erzbergbau – konkret die Förderung von Blei, Silber und Gold – zurück und hat seine Ursprünge bereits im Mittelalter. Jedoch kamen erst Anfang des 18. Jahrhunderts technische Innovationen ins Land, die den Bergbau förderten.
Die eigentliche Entwicklung der oberschlesischen Industrie setzte aber erst nach dem Siebenjährigen Krieg ein. Mit der Bergordnung von 1769 begann dann der Aufschwung. Verantwortlich zeichnete dafür v.a. der Leiter des schlesischen Oberbergamtes Friedrich Wilhelm von Reden, der v.a. durch die Förderung der Kohleförderung sowie Hüttenindustrie die wirtschaftliche Entwicklung der Region vorantrieb. So entstand z.B. 1802 die Königshütte bei Gleiwitz. Bereits 1784 wurde in Tarnowitz die erste Dampfmaschine zur Grubenentwässerung eingesetzt. Zwischen 1800 und 1812 wurde dann der Klodnitz-Kanal angelegt, um die Kohle auch in den restlichen Teil Preußens transportieren zu können.

Im Verlauf des folgenden Jahrhunderts wurde auch das Eisenbahnsystem flächendeckend ausgebaut. Mit dem Aufkommen des Liberalismus zog sich der preußische Staat zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehr und mehr aus der oberschlesischen Industrieproduktion zurück. Adelige Großindustrielle wie die Familien Henckel von Donnersmarck, Ballestrem oder Tiele-Winckler dominierten die oberschlesische Montanindustrie daher in dieser Zeit. Aber auch Aufsteiger wie der Zinkkönig Karl Godulla nutzen ihre Chance. Der Steinkohleabbau steigerte sich so von 821 Tonnen im Jahr 1780 auf über 500.000 Tonnen 1840. Parallel entstand ein freier Bergmannsstand mit Privilegien und eigenem Standesethos. Durch die Industrialisierung kam es auch zu einer Veränderung der Siedlungsstruktur. So entstanden neue Städte wie Königshütte oder Kattowitz. So wurde das östliche Oberschlesien nach 1850 zu einem vollständig industriell geprägtem Raum, während der Westen und Süden eher agrarisch geprägt blieb.

Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurde Deutschland zu einem Nationalstaat. Das hatte für die überwiegend slawischsprachige Bevölkerung im preußischen Teil Oberschlesiens weitreichende Folgen. Seit 1873 wurde deutsch zur alleinigen Sprache in den Schulen. Parallel versuchte Reichskanzler Otto von Bismarck im „Kulturkampf“ die Macht der katholischen Kirche im protestantischen Kaiserreich zu beschränken. Durch diese Maßnahmen nahm aber auch der polnische Nationalismus in Oberschlesien zu.
Als dann nach dem Ende des Ersten Weltkrieges der polnische Staat neu entstand, forderte er ganz Oberschlesien für sich. Es kam auch zu mehreren Aufständen polnisch gesinnter Oberschlesier. Wegen zahlreicher Proteste deutsch gesinnter Oberschlesier wurde am 20. März 1921 eine Volksabstimmung angesetzt. Abgestimmt wurde jedoch nur im östlichen – zweisprachigen – Teil Oberschlesiens. Das Ergebnis fiel mit ca. 60% für Deutschland eigentlich eindeutig aus. Polnisch gesinnte Oberschlesier wollten dieses Ergebnis aber nicht akzeptieren und begannen im Mai 1921 mit Hilfe regulärer polnischer Truppen einen erneuten Aufstand, der in der Schlacht am Annaberg gipfelte. Zwar konnten die Aufständischen vom Deutschen Selbstschutz und verschiedenen Freicorps besiegt werden, dennoch entschied die Interallierte Kommission, dass Oberschlesien geteilt werden sollte. Der wirtschaftlich wichtigere Teil um Kattowitz mit den Gebieten um Tarnowitz und Rybnik / Pless wurde so 1922 polnisch.

Ohne Volksabstimmung war bereits 1920 das Hultschiner Ländchen an die neu entstandene Tschechoslowakei abgetreten worden, der auch der Großteil des ehem. „Österreichisch Schlesien“ zugeteilt worden war. Polen und die Tschechoslowakei teilten das Teschener Gebietes hingegen zunächst nach ethnischen Gesichtspunkten. Nach kriegsähnlichen Auseinandersetzungen einigten sich beide Staaten 1920 auf die Olsa als polnisch-tschechische Grenze. Damit war Oberschlesien unter drei Staaten, Deutschland, Polen und der Tschechoslowakei geteilt und teilte deren politische Geschichte in den kommenden Jahren. Bis 1937 galten aber sowohl im polnischen als auch im deutschen Teil Oberschlesiens durch den Völkerbund garantierte Minderheitenrechte.

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Plebiszit mit Folgen:

Das turbulente Jahr 1921 in Oberschlesien



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Zu grundlegenden Veränderungen der politischen Situation in allen drei Teilen Oberschlesiens kam es erst wieder ab 1938. Mit dem Münchener Abkommen wurden die deutschsprachigen Gebiete im tschechischen Oberschlesien Teil des „Reichsgaus Sudetenland“. Parallel besetzt Polen das bis dahin tschechische Olsagebiet westlich von Teschen. Und nach dem Einmarsch deutscher Truppen im September 1939 in Polen wurde Ostoberschlesien zusammen mit dem Teschener Gebiet sowie Teilen des östlich angrenzenden Kleinpolens vereint. 1941 wurde Oberschlesien formell als preußische Provinz wiedergegründet. Die Hauptstadt wurde Kattowitz.
Anfang 1945 überschritten dann die herannahenden russischen Truppen mordend, vergewaltigend und plündernd die oberschlesische Grenze. Nachdem das Land lange als „Luftschutzbunker“ des Reiches gegolten hatte, wurden spätestens jetzt auch zahlreiche Städte zumindest teilweise zerstört. Relativ umgehend übergaben die russischen Militärbehörden polnischen Zivilbehörden die Verwaltung des nördlichen Oberschlesiens, der Süden wurde von der tschechoslowakischen Regierung übernommen.
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